»Drogen«
Verfasst: Do 3. Apr 2014, 20:39
June und Johnny jodelten immer noch ohne Unterlass. Peter überlegte, ob er sich vielleicht einen anderen Song aussuchen konnte, sodass er wenigstens etwas Abwechslung hätte.
»Reka, spiel bitte Ring of fire.«
»Tut mir leid, Peter. Der Song ist nicht verzeichnet.«
Peter wollte schon fragen, ob das ein Scherz wäre, schluckte die Worte aber mit der bitteren Erkenntnis herunter, dass Reka offensichtlich nur Cash-Songs gespeichert hatte, diese aber unter den Titeln anderer Interpreten. »Dann wechsle in den Zufallsmodus.«
Das Lied wurde ohne Unterbrechung weiter gespielt. Peter verdrehte nur die Augen
Skeptisch und missmutig sah er in den Fußraum, in dem sich das nunmehr durch den Löschschaum glitzernde Wasser mittlerweile mit den aufgeweichten Resten des Kartoffelbreis vermischt hatte. Als Hauptproblem schätze er die verklemmte Tastatur ein, die jedwede Arbeit im Fußraum nahezu unmöglich machte. Erneut betrachtete er das verkantete Eingabeinstrument und wollte sich unterbewusst an seiner linken Hand kratzen.
Diese stieß allerdings auf das Piloteninterface. Peter sah auf die Hand in der Metallmanschette und kniff die Augen zusammen. »Reka, mich juckt es an meiner linken Hand. Insekten gibt es hier wohl nicht. Hast du mir was gespritzt?«
»Das ist korrekt.«
»Was, zum Henker?«
»Frage neu formulieren.«
»Reka, was hast du mir gespritzt?«
»Ein Beruhigungsmittel.«
»Wie kommst du dazu, mir einfach ein Beruhigungsmittel zu spritzen?«
»Wenn bestimmte Parameter der Körpermessungen in den kritischen Bereich steigen, bin ich autorisiert, den Passagier zu seinem Schutz zu sedieren.«
»Den Pass ... Schutz ... Reka! Wer hat dich in Gottes Namen autorisiert?« Peter wusste die Antwort schon. Er konnte es einfach nicht fassen.
»Der Name des Programmierers der Seelsorge war Dieter Fitzenbach. Wer ist Gott?«
»Wer Gott ...?« Peters Fassungslosigkeit schlug nach einem kurzen Ausflug in die Verärgerung in Neugier um.
»Was darfst du mir noch alles verabreichen?«
»Ich verfüge über eine Auswahl an verschiedenen Sedativa, Aufbauspritzen und Breitbandantibiotika, die ich im Falle einer Indikation anwende.«
»Und was genau hast du mir gespritzt?«
»25mg S-Ketamin und 15 mg Dormicum in 20ml 0,9 prozentige Natriumchloridlösung.«
It should be a while before I see doctor Death - So, it would sure would be nice if I could get my breath. Das Countryduett war zum Ende gekommen und der Zufallsmodus hatte Like the 309 ausgewählt.
Peter krächzte ein kurzes Lachen hervor und grinste dann böse. Er musste schnell handeln, um nicht wieder in ein Loch zu fallen und von Reka schlafen geschickt zu werden. Oder? Warum eigentlich nicht?
Er schüttelte den Kopf, um den zerstörerischen Gedanken zu loszuwerden. Seine Füße fühlte sich scheußlich aufgeweicht an. Trotz der Musik und der Schmerzen musste er dringend etwas gegen das Wasser tun. Aber was? Die herausgefahrene Tastatur behinderte jede seiner Bewegungen. Er wollte nicht riskieren, sie zu beschädigen, da sie vielleicht noch die einzige Möglichkeit war, irgendwie auf die Kapsel Einfluss zunehmen. Mit seinem Verband, der mittlerweile nach Urin stank, war er in seinen Reparaturmöglichkeiten an der Gleitschiene des Keyboards ebenso eingeschränkt.
Peter sah sich wieder einmal in seiner goldenen Technikkäfig um. Er hatte allerdings wenig Hoffnung. Irgendwie musste er seine Füße nur elf Zentimeter höher lagern. Die Kopfstütze würde nicht reichen. Flattrig glitten seine Hände über seine gesamte Umgebung, bis sie zusammen mit seinem Blick am Versorgungsfach hängen blieben. Sah man genau hin, erkannte man, dass das Fach eine Kipplade war. Behutsam nicht nur der Schulter wegen öffnete er es und rüttelte prüfend daran.
Die Lade schien tatsächlich herausnehmbar zu sein. Eigentlich ja logisch. Irgendwie musste sie ja auch da hinein gekommen sein. Peter vermutete, dass man sie erst entriegeln musste, doch er sah keine Vorrichtung dafür. Schließlich räumte er den gesamten Inhalt des Versorgungsfaches heraus, was sich als äußerst schwierig erwies. Die Füllung der Erste-Hilfe-Tasche, die man sowieso nur in einem High-Tech-Labor unter Anleitung erfahrender Packer wieder hätte einräumen können, darunter die hoffnungslos zerknüllte Rettungsdecke und viele verschiedene kleine weiße Päckchen. Dazu kam der Schnaps und die anderen Dinge, die er hinein getan hatte, um sie aus dem Weg zu haben, und natürlich die zahllosen Speiseplatzhalter aus Pappe.
Anfangs stopfte er die Sachen einfach hinter sich, doch irgendwann ging das nicht mehr, da er sonst durch sein eigenes Nach-vorne-rutschen keinen Platz gehabt hätte, um die Lade überhaupt heraus zu bekommen. Seitlich konnte er noch einiges unterbringen und am Ende musste sogar die Schleuse herhalten. Endlich hatte er das Versorgungsfach entleert.
Nun war ein Schild frei geworden, auf dem Nur für Lebensmittel. Stand. Darüber war das Lebensmittelverträglichkeitszeichen.
Konsterniert verzog Peter kurz den Mund und beugte sich, soweit es ging zur Seite, um in das Fach blicken zu können. Schon purzelten die ersten Gegenstände hinter ihm in den Fußraum. Hinzu kam, dass der frischgebackene Raumtechniker überhaupt nichts sah, dar er die einzige Lampe in der Kapsel mit seinem eigenen Körper verdeckte. Schon lag ihm wieder ein Fluch auf den Lippen, doch er konnte sich beherrschen.
Nachdenklich lehnte er sich zurück, als ihn etwas im Rücken drückte. Die Schnapsflasche hatte sich gedreht. Umständlich aber vorsichtig fischte er sie mit der Linken hervor und stellte sie nach kurzer Überlegung seitlich zwischen Wand und Fuß ins Wasser.
Langsam drehte er sich und sah auch schon was er suchte. Die Taschenlampe des Survivalpacks. Er nahm sie in die linke Hand, da die rechte ja verbunden war. Es stellte sich heraus, dass es eine Induktionstaschenlampe zum Schütteln war. Schon schüttelte Peter kräftig und sofort schoss ihm der Schmerz wieder aus der linken Schulter in Brust und Magen. Einen Fluch zwischen seinen Zähnen zermalmend wechselte er die Hand und begann erneut. Endlich tat die Taschenlampe, wozu sie gebaut war. Sie leuchtete.
Dieses Mal war der Blick in das leere Versorgungsfach ertragreicher. Peter konnte am Boden des etwa dreißig Zentimeter tiefen Innenraums eine Art Hebel ausmachen, neben dem sogar ein Pfeil zu sehen war.
Nicht ohne Stolz und Schmerzen betätigte er den Hebel mit dem Ringfinger und zog gleichzeitig mit der anderen Hand. Ein Klacken bestätigte die Entriegelung und schon hatte Peter die Lade in der Hand. Ein Lächeln spielte über seine Lippen. Es verstarb allerdings so schnell, wie es gekommen war, als er die Lade in den Fußraum schieben wollte. Er saß jetzt schon beinahe mit dem Bauch an der Tastatur und diese schwebte gerade mal eine gute Hand breit über seinen Schenkeln.
Peter bewegte sein Hinterteil, um sich etwas Platz zu verschaffen, worauf wieder einige Dinge ins Wasser flogen. Jetzt zog er den Bauch ein, drehte die Lade, so dass sie flach vor ihm lag, und versuchte sie unter dem Keyboard und zwischen seinen Beinen hindurch zu schieben. Er presste seine Füße an die Wände des Fußraums und spürte, wie empfindlich die aufgequollene Haut war. Er glaubte, das Gewebe der Socken zu in all seiner Feinheit spüren zu können, schmerzhaft spüren zu können.
Peter drückte und die Lade fügte sich widerwillig ihrer neuen Verwendung. Der Anfang war gemacht und die Lade passte sogar unter die Tastatur, aber nur zu dem Preis, dass er seine Knie über sein untrainiertes Maß hinaus spreizen musste. Er konnte förmlich spüren, wie seine Hüftgelenke im Becken ächzten. Noch ein kleines Stück. Jetzt konnte er zumindest wieder normal atmen. Das Ziehen in den Sehnen, die den Unterleib mit den Schenkeln verbanden, war sehr unangenehm. Noch ein Stück, die Lade war fast im Fußraum, da verspannte sich sein rechter Oberschenkel. Peter hatte einen Krampf.
Der Schrei drang aus der Tiefe seiner Brust. Die Schmerzen im Bein trübten seinen Verstand. Er brauchte ein Ventil. Sein Schrei ging in unmenschliches Gurgeln über, das sich mit einem kurzen Wimmern abwechselte. Um die Tastatur nicht zu beschädigen, schlug er aus purer Verzweiflung mit der Linken gegen die Scheibe und schrie wieder.
»Bitte Piloteninterface anl ...«
»Peter, deine Körperfunktionsparameter zeigen großen Stress. Beruhige dich und atme.« Reka hatte sich irgendwie gegen die Tonbandstimme und den Wackelkontakt behaupten können.
»Ich ha ... habe einen Krrrampffff ...« Endlich brannte sich der Gedanke, die Lade weiter zu schieben, durch den Schleier der Pein in sein Bewusstsein und er gab ihr einen Stoß.
Mit einem hohl plätschernden Geräusch landete sie im Fußraum. Er streckte die Beine durch, so gut er konnte, doch jetzt hinderte in die Lade in der Bewegung. Unnatürlich seitlich verrenkt stemmte Peter das rechte Bein gegen das Bodenblech des Fußraums, doch die verkrampften Muskeln hielten die Anspannung weiter aufrecht. Er konnte spüren, wie sich seine aufgeweichten Zehen in die Kappen der Turnschuhe pressten und glaubte, seine Zehennägel würden gerade ins Nagelbett getrieben. Der Schmerz war fasst so unerträglich, wie der Krampf. Lächerlich klein dagegen war der Schmerz, den er jetzt in der linken Hand verspürte.
»Krampflösendes Mittel injiziert.«
Schon Augenblicke später entkrampfte das Bein. Peter ließ sich matt nach hinten fallen. Er lag nun im Hohlkreuz auf einem Berg aus Mull, Heftpflaster und Jägerschnitzelschildern. Peter wurde die Countrymusik wieder gewahr. Genervt fingerte er erst mit der Linken, als die Schulter dann schmerzte, mit der Rechten den ehemaligen Inhalt der Lade hinter seinem Rücken hervor und warf ihn achtlos von sich. Ermattet schloss Peter die flattrigen Lider und atmete durch. So lag er für einige Momente und sammelte Kraft. Schließlich hob er seine Beine mit einem Seufzen nacheinander aus dem Wasser, legte sie auf die Lade und zwang diese so unter Wasser. Mit einem gurgelnden Rauschen lief sie voll und blieb unten.
Peter hielt die Augen geschlossen. Es gelang ihm sogar, die Musik zu verdrängen und er hörte sich beim Atmen zu. Das beruhigte ihn. Er atmete, er war also noch am Leben. Sein Körper entspannte sich merklich, doch sein rechtes Auge schien davon nichts mitbekommen zu haben. Es zitterte, sodass er es weder geschlossen, noch offen halten konnte.
»Reka, verdammt, was ist mit meinem Auge los? Es zittert.« Peter presste den Handballen auf das flimmernde Lid.
»Immer fluchen Peter, das tut gut. Es ist möglich, dass ich das Methocarbamol zu schnell injiziert habe. Das kann zu Augenzittern führen. Ich bitte um Verzeihung.«
Erneut hatte Reka Peter überrascht. Sie hatte ihn in einem beinahe versöhnlichen Ton um Verzeihung gebeten. Er wusste im Augenblick nicht recht einzuordnen, wie oder warum, aber Reka veränderte sich.
»Super. Ich bin mal gespannt, welches Körperteil nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde, nachdem ich hier wieder raus bin.«
Reka antwortete nicht und Cash dudelt weiter, was zu einer lauten Stille führte. Peter wurde unangenehm daran erinnerte, dass er hier vielleicht gar nicht mehr lebend herauskam. Er presste die Lippen aufeinander und schluckte, als wolle er den hässlich bitteren Geschmack der Lebensgefahr aus seinem Mund verbannen. Es gelang nicht und er ließ die Hand sinken.
Das Zittern war schwächer geworden. Peter zwang sich nun dazu, beide Augen wieder zu öffnen. Sein Blick fiel auf seine nassen Füße, die er durch den Spalt zwischen Tastatur und Armaturenbrett sehen konnte. Ihm graute vor dem, was jetzt bevorstand. Er musste die Schuhe ausziehen, aber seine Füße waren nach den vielen Stunden im Wasser völlig durchweicht. Komischerweise war ihm der Begriff ‚Immersionsfuß’ im Gedächtnis geblieben. Angeekelt von der Vorstellung aufgeweichten Fleisches wich er dem Anblick seiner eigenen Füße aus und sah nach rechts. Peter glaubte nicht, was er sah. Langsam hob er wieder den Handballen an das zitternde rechte, um mit dem linken Augen scharf sehen zu können.
In der nun klaffenden Lücke, die die fehlende Lade hinterlassen hatte, war ganz unten eine Art Trichter zu sehen. In dem Trichter steckten die aufgeweichten Überreste einer Zigarette und daneben klemmte ein angefangenes Päckchen, aus dem sie wohl stammte.
»Reka, spiel bitte Ring of fire.«
»Tut mir leid, Peter. Der Song ist nicht verzeichnet.«
Peter wollte schon fragen, ob das ein Scherz wäre, schluckte die Worte aber mit der bitteren Erkenntnis herunter, dass Reka offensichtlich nur Cash-Songs gespeichert hatte, diese aber unter den Titeln anderer Interpreten. »Dann wechsle in den Zufallsmodus.«
Das Lied wurde ohne Unterbrechung weiter gespielt. Peter verdrehte nur die Augen
Skeptisch und missmutig sah er in den Fußraum, in dem sich das nunmehr durch den Löschschaum glitzernde Wasser mittlerweile mit den aufgeweichten Resten des Kartoffelbreis vermischt hatte. Als Hauptproblem schätze er die verklemmte Tastatur ein, die jedwede Arbeit im Fußraum nahezu unmöglich machte. Erneut betrachtete er das verkantete Eingabeinstrument und wollte sich unterbewusst an seiner linken Hand kratzen.
Diese stieß allerdings auf das Piloteninterface. Peter sah auf die Hand in der Metallmanschette und kniff die Augen zusammen. »Reka, mich juckt es an meiner linken Hand. Insekten gibt es hier wohl nicht. Hast du mir was gespritzt?«
»Das ist korrekt.«
»Was, zum Henker?«
»Frage neu formulieren.«
»Reka, was hast du mir gespritzt?«
»Ein Beruhigungsmittel.«
»Wie kommst du dazu, mir einfach ein Beruhigungsmittel zu spritzen?«
»Wenn bestimmte Parameter der Körpermessungen in den kritischen Bereich steigen, bin ich autorisiert, den Passagier zu seinem Schutz zu sedieren.«
»Den Pass ... Schutz ... Reka! Wer hat dich in Gottes Namen autorisiert?« Peter wusste die Antwort schon. Er konnte es einfach nicht fassen.
»Der Name des Programmierers der Seelsorge war Dieter Fitzenbach. Wer ist Gott?«
»Wer Gott ...?« Peters Fassungslosigkeit schlug nach einem kurzen Ausflug in die Verärgerung in Neugier um.
»Was darfst du mir noch alles verabreichen?«
»Ich verfüge über eine Auswahl an verschiedenen Sedativa, Aufbauspritzen und Breitbandantibiotika, die ich im Falle einer Indikation anwende.«
»Und was genau hast du mir gespritzt?«
»25mg S-Ketamin und 15 mg Dormicum in 20ml 0,9 prozentige Natriumchloridlösung.«
It should be a while before I see doctor Death - So, it would sure would be nice if I could get my breath. Das Countryduett war zum Ende gekommen und der Zufallsmodus hatte Like the 309 ausgewählt.
Peter krächzte ein kurzes Lachen hervor und grinste dann böse. Er musste schnell handeln, um nicht wieder in ein Loch zu fallen und von Reka schlafen geschickt zu werden. Oder? Warum eigentlich nicht?
Er schüttelte den Kopf, um den zerstörerischen Gedanken zu loszuwerden. Seine Füße fühlte sich scheußlich aufgeweicht an. Trotz der Musik und der Schmerzen musste er dringend etwas gegen das Wasser tun. Aber was? Die herausgefahrene Tastatur behinderte jede seiner Bewegungen. Er wollte nicht riskieren, sie zu beschädigen, da sie vielleicht noch die einzige Möglichkeit war, irgendwie auf die Kapsel Einfluss zunehmen. Mit seinem Verband, der mittlerweile nach Urin stank, war er in seinen Reparaturmöglichkeiten an der Gleitschiene des Keyboards ebenso eingeschränkt.
Peter sah sich wieder einmal in seiner goldenen Technikkäfig um. Er hatte allerdings wenig Hoffnung. Irgendwie musste er seine Füße nur elf Zentimeter höher lagern. Die Kopfstütze würde nicht reichen. Flattrig glitten seine Hände über seine gesamte Umgebung, bis sie zusammen mit seinem Blick am Versorgungsfach hängen blieben. Sah man genau hin, erkannte man, dass das Fach eine Kipplade war. Behutsam nicht nur der Schulter wegen öffnete er es und rüttelte prüfend daran.
Die Lade schien tatsächlich herausnehmbar zu sein. Eigentlich ja logisch. Irgendwie musste sie ja auch da hinein gekommen sein. Peter vermutete, dass man sie erst entriegeln musste, doch er sah keine Vorrichtung dafür. Schließlich räumte er den gesamten Inhalt des Versorgungsfaches heraus, was sich als äußerst schwierig erwies. Die Füllung der Erste-Hilfe-Tasche, die man sowieso nur in einem High-Tech-Labor unter Anleitung erfahrender Packer wieder hätte einräumen können, darunter die hoffnungslos zerknüllte Rettungsdecke und viele verschiedene kleine weiße Päckchen. Dazu kam der Schnaps und die anderen Dinge, die er hinein getan hatte, um sie aus dem Weg zu haben, und natürlich die zahllosen Speiseplatzhalter aus Pappe.
Anfangs stopfte er die Sachen einfach hinter sich, doch irgendwann ging das nicht mehr, da er sonst durch sein eigenes Nach-vorne-rutschen keinen Platz gehabt hätte, um die Lade überhaupt heraus zu bekommen. Seitlich konnte er noch einiges unterbringen und am Ende musste sogar die Schleuse herhalten. Endlich hatte er das Versorgungsfach entleert.
Nun war ein Schild frei geworden, auf dem Nur für Lebensmittel. Stand. Darüber war das Lebensmittelverträglichkeitszeichen.
Konsterniert verzog Peter kurz den Mund und beugte sich, soweit es ging zur Seite, um in das Fach blicken zu können. Schon purzelten die ersten Gegenstände hinter ihm in den Fußraum. Hinzu kam, dass der frischgebackene Raumtechniker überhaupt nichts sah, dar er die einzige Lampe in der Kapsel mit seinem eigenen Körper verdeckte. Schon lag ihm wieder ein Fluch auf den Lippen, doch er konnte sich beherrschen.
Nachdenklich lehnte er sich zurück, als ihn etwas im Rücken drückte. Die Schnapsflasche hatte sich gedreht. Umständlich aber vorsichtig fischte er sie mit der Linken hervor und stellte sie nach kurzer Überlegung seitlich zwischen Wand und Fuß ins Wasser.
Langsam drehte er sich und sah auch schon was er suchte. Die Taschenlampe des Survivalpacks. Er nahm sie in die linke Hand, da die rechte ja verbunden war. Es stellte sich heraus, dass es eine Induktionstaschenlampe zum Schütteln war. Schon schüttelte Peter kräftig und sofort schoss ihm der Schmerz wieder aus der linken Schulter in Brust und Magen. Einen Fluch zwischen seinen Zähnen zermalmend wechselte er die Hand und begann erneut. Endlich tat die Taschenlampe, wozu sie gebaut war. Sie leuchtete.
Dieses Mal war der Blick in das leere Versorgungsfach ertragreicher. Peter konnte am Boden des etwa dreißig Zentimeter tiefen Innenraums eine Art Hebel ausmachen, neben dem sogar ein Pfeil zu sehen war.
Nicht ohne Stolz und Schmerzen betätigte er den Hebel mit dem Ringfinger und zog gleichzeitig mit der anderen Hand. Ein Klacken bestätigte die Entriegelung und schon hatte Peter die Lade in der Hand. Ein Lächeln spielte über seine Lippen. Es verstarb allerdings so schnell, wie es gekommen war, als er die Lade in den Fußraum schieben wollte. Er saß jetzt schon beinahe mit dem Bauch an der Tastatur und diese schwebte gerade mal eine gute Hand breit über seinen Schenkeln.
Peter bewegte sein Hinterteil, um sich etwas Platz zu verschaffen, worauf wieder einige Dinge ins Wasser flogen. Jetzt zog er den Bauch ein, drehte die Lade, so dass sie flach vor ihm lag, und versuchte sie unter dem Keyboard und zwischen seinen Beinen hindurch zu schieben. Er presste seine Füße an die Wände des Fußraums und spürte, wie empfindlich die aufgequollene Haut war. Er glaubte, das Gewebe der Socken zu in all seiner Feinheit spüren zu können, schmerzhaft spüren zu können.
Peter drückte und die Lade fügte sich widerwillig ihrer neuen Verwendung. Der Anfang war gemacht und die Lade passte sogar unter die Tastatur, aber nur zu dem Preis, dass er seine Knie über sein untrainiertes Maß hinaus spreizen musste. Er konnte förmlich spüren, wie seine Hüftgelenke im Becken ächzten. Noch ein kleines Stück. Jetzt konnte er zumindest wieder normal atmen. Das Ziehen in den Sehnen, die den Unterleib mit den Schenkeln verbanden, war sehr unangenehm. Noch ein Stück, die Lade war fast im Fußraum, da verspannte sich sein rechter Oberschenkel. Peter hatte einen Krampf.
Der Schrei drang aus der Tiefe seiner Brust. Die Schmerzen im Bein trübten seinen Verstand. Er brauchte ein Ventil. Sein Schrei ging in unmenschliches Gurgeln über, das sich mit einem kurzen Wimmern abwechselte. Um die Tastatur nicht zu beschädigen, schlug er aus purer Verzweiflung mit der Linken gegen die Scheibe und schrie wieder.
»Bitte Piloteninterface anl ...«
»Peter, deine Körperfunktionsparameter zeigen großen Stress. Beruhige dich und atme.« Reka hatte sich irgendwie gegen die Tonbandstimme und den Wackelkontakt behaupten können.
»Ich ha ... habe einen Krrrampffff ...« Endlich brannte sich der Gedanke, die Lade weiter zu schieben, durch den Schleier der Pein in sein Bewusstsein und er gab ihr einen Stoß.
Mit einem hohl plätschernden Geräusch landete sie im Fußraum. Er streckte die Beine durch, so gut er konnte, doch jetzt hinderte in die Lade in der Bewegung. Unnatürlich seitlich verrenkt stemmte Peter das rechte Bein gegen das Bodenblech des Fußraums, doch die verkrampften Muskeln hielten die Anspannung weiter aufrecht. Er konnte spüren, wie sich seine aufgeweichten Zehen in die Kappen der Turnschuhe pressten und glaubte, seine Zehennägel würden gerade ins Nagelbett getrieben. Der Schmerz war fasst so unerträglich, wie der Krampf. Lächerlich klein dagegen war der Schmerz, den er jetzt in der linken Hand verspürte.
»Krampflösendes Mittel injiziert.«
Schon Augenblicke später entkrampfte das Bein. Peter ließ sich matt nach hinten fallen. Er lag nun im Hohlkreuz auf einem Berg aus Mull, Heftpflaster und Jägerschnitzelschildern. Peter wurde die Countrymusik wieder gewahr. Genervt fingerte er erst mit der Linken, als die Schulter dann schmerzte, mit der Rechten den ehemaligen Inhalt der Lade hinter seinem Rücken hervor und warf ihn achtlos von sich. Ermattet schloss Peter die flattrigen Lider und atmete durch. So lag er für einige Momente und sammelte Kraft. Schließlich hob er seine Beine mit einem Seufzen nacheinander aus dem Wasser, legte sie auf die Lade und zwang diese so unter Wasser. Mit einem gurgelnden Rauschen lief sie voll und blieb unten.
Peter hielt die Augen geschlossen. Es gelang ihm sogar, die Musik zu verdrängen und er hörte sich beim Atmen zu. Das beruhigte ihn. Er atmete, er war also noch am Leben. Sein Körper entspannte sich merklich, doch sein rechtes Auge schien davon nichts mitbekommen zu haben. Es zitterte, sodass er es weder geschlossen, noch offen halten konnte.
»Reka, verdammt, was ist mit meinem Auge los? Es zittert.« Peter presste den Handballen auf das flimmernde Lid.
»Immer fluchen Peter, das tut gut. Es ist möglich, dass ich das Methocarbamol zu schnell injiziert habe. Das kann zu Augenzittern führen. Ich bitte um Verzeihung.«
Erneut hatte Reka Peter überrascht. Sie hatte ihn in einem beinahe versöhnlichen Ton um Verzeihung gebeten. Er wusste im Augenblick nicht recht einzuordnen, wie oder warum, aber Reka veränderte sich.
»Super. Ich bin mal gespannt, welches Körperteil nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde, nachdem ich hier wieder raus bin.«
Reka antwortete nicht und Cash dudelt weiter, was zu einer lauten Stille führte. Peter wurde unangenehm daran erinnerte, dass er hier vielleicht gar nicht mehr lebend herauskam. Er presste die Lippen aufeinander und schluckte, als wolle er den hässlich bitteren Geschmack der Lebensgefahr aus seinem Mund verbannen. Es gelang nicht und er ließ die Hand sinken.
Das Zittern war schwächer geworden. Peter zwang sich nun dazu, beide Augen wieder zu öffnen. Sein Blick fiel auf seine nassen Füße, die er durch den Spalt zwischen Tastatur und Armaturenbrett sehen konnte. Ihm graute vor dem, was jetzt bevorstand. Er musste die Schuhe ausziehen, aber seine Füße waren nach den vielen Stunden im Wasser völlig durchweicht. Komischerweise war ihm der Begriff ‚Immersionsfuß’ im Gedächtnis geblieben. Angeekelt von der Vorstellung aufgeweichten Fleisches wich er dem Anblick seiner eigenen Füße aus und sah nach rechts. Peter glaubte nicht, was er sah. Langsam hob er wieder den Handballen an das zitternde rechte, um mit dem linken Augen scharf sehen zu können.
In der nun klaffenden Lücke, die die fehlende Lade hinterlassen hatte, war ganz unten eine Art Trichter zu sehen. In dem Trichter steckten die aufgeweichten Überreste einer Zigarette und daneben klemmte ein angefangenes Päckchen, aus dem sie wohl stammte.