Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Ihr habt einen Lesekreis? Dann ist dieses Forum für Euch.
Benutzeravatar
Horus W. Odenthal
Beiträge: 90
Registriert: So 16. Sep 2012, 08:42

Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von Horus W. Odenthal » Fr 30. Nov 2012, 19:25

Thema Abercrombie und Mainstream.
Natürlich sehe ich das etwas anders.
minkey hat geschrieben: Ich habe dennoch die Vermutung, dass Abercrombie klarer für ein Zielpublikum schreibt. Ninragon hingegen ist etwas, worüber Du schreiben möchtest, Dein Zielpublikum ist viel vager (irgendwas in der Art wie die Leute, die auch Abercrombie mögen) und tatsächlich eigentlich eine Nische (die Fantasy-Leser, die Literatur lesen wollen). Die meisten Abercrombie-Leser werden aber gar keine Literatur lesen wollen und werden auch nicht in Leserunden die Metaebenen entschlüsseln. Sie werden einfach nur fasziniert sein, von dem was den Protagonisten passiert, von den Emotionen, die es in ihnen beim Lesen weckt und davon, dass nicht den ausgetretenen Pfaden gefolgt wird. Hier ist ausschlaggebend, dass die Story glaubwürdig ist, die Protagonisten echt wirken und vor allem, dass es einen beim Lesen berührt. Alles Elemente, die Ninragon auch hat, aber da Dir die Metaebene ebenfalls wichtig ist und die Trilogie dadurch einer starken Struktur folgen muss, hast Du Dir in dieser Hinsicht auch Beschränkungen auferlegt. Ninragon ist vor allem ein Erlebnis, wenn man über die vordergründige Story hinausblickt, tut man das nicht, ist einiges auch verwirrend.
Das glaube ich nicht.
Ich schreibe zwar ganz anders als Abercrombie. Ich will ganz andere Geschichten erzählen. Ich glaube aber, dass bei mir die gleichen Kriterien wirksam sind. Das man in Leserunden über Metaebenen diskutieren kann, finde ich – verzeiht es mir – eher unerheblich. Wenn alles nicht so perfekt ineinander gepasst hätte, dann hätte ich auf die Metaebene auch gründlich eins gepfiffen. Ein Buch braucht eine Struktur; das ist wesentlich. Das Buch wäre von mir keine Deut anders geschrieben worden, wenn es nur auf die Plotebene ankäme. Und die Plotebene war immer das Wichtigste bei meinen Erzählentscheidungen. Aber ich bin der Meinung, wenn die stimmt, stimmt alles andere. Die Metaebene ist lediglich ein zusätzliches Gewürz aber nicht das Wesentliche. Zum anderen glaube ich, dass Abercrombie ebenfalls diese Metaebene hat.
Und dass er genau auf ein Publikum zugearbeitet hat? Eigentlich hatte er gar keines als sich selber im Blick. Er wollte genau wie ich etwas schaffen, das die Dinge, die ihn an normaler Fantasy störten, anders anpackte. Ich schreibe für Fantasy-Leser, die die erste Stufe naiven Staunens hinter sich haben, für Quereinsteiger, für Leute die wie ich "eigentlich" das Genre lieben, die aber irgendetwas daran stört.
Nein, ich kann das vom Ton nicht nachvollziehen.
Wenn es darum ginge, in welcher Sparte Schriftsteller ich mich eingeordnet sehen möchte, eher wie ein Stephen King oder wie ein Philip Roth, dann ist meine Wahl ganz eindeutig: Natürlich in der Sparte von Stephen King.
Ninragon ist ganz normale Fantasy. Alles an Metaebene ist nur ein kleiner Bonus. Ich glaube, dass du das alles auch nur so siehst, weil du die Metaebene wahrnimmst. Würdest du das nicht tun, würde einiges bei dir weniger haken. Erst die Wahrnehmung hebt die Geschichte über das Level der Normalität hinaus. Alles, was an Ninragon unaufgelöst bleibt, kann man von einer Fortführung dieser Erzählwelt erwarten. Die Geschichte wird auch schon auf der Plot-Ebene abgerundet und in sich geschlossen.
Erikson-Geschichten funktionieren ähnlich, sogar noch viel extremer. Hier hat man erst recht den Eindruck immer nur einen kleinen Ausschnitt der ganzen Geschichte zu sehen, und mit jeder Antwort, die eine Geschichte gibt, werden 10 neue Fragen gestellt.
Nein, Ninragon ist nicht außergewöhnlich. Vielleicht außergewöhnlich gut, aber das zu entscheiden liegt nicht an mir.

minkey
Beiträge: 287
Registriert: Do 25. Okt 2012, 21:51

Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » Fr 30. Nov 2012, 23:43

Horus W. Odenthal hat geschrieben:Thema Abercrombie und Mainstream.
Natürlich sehe ich das etwas anders.
Alles andere hätte mich auch sehr gewundert ;)
Im Wesentlichen bin ich einverstanden mit allem, was Du in Deiner Antwort geschrieben hast.

Bis auf ein paar Punkte:
Horus hat geschrieben:Ninragon ist ganz normale Fantasy. Alles an Metaebene ist nur ein kleiner Bonus.
Ninragon ist einerseits das blutigste Buch, das ich bisher gelesen habe, andererseits geht es im Hintergrund um die Symbiose von Fantasy und Literatur.
Ninragon ist höchstens dann 'normale' Fantasy, wenn Bakker oder meinetwegen auch Erikson und Abercrombie normale Fantasy sind. Das sehe ich aber nicht so, die stechen heraus. Wenn sie gleichzeitig kommerziellen Erfolg haben, umso besser.

'Normale' Fantasy ist derzeit AllAge.
Horus hat geschrieben:Ich glaube, dass du das alles auch nur so siehst, weil du die Metaebene wahrnimmst. Würdest du das nicht tun, würde einiges bei dir weniger haken. Erst die Wahrnehmung hebt die Geschichte über das Level der Normalität hinaus.
Nein, ohne die Metaebene bleibt in Ninragon einiges ohne Auflösung. Das mag durch weitere Bände (Homunkulus) wieder runder werden, aber Ninragon als eigenständiges Werk wird erst durch die Metaebene tatsächlich rund, die Trilogie beendet ihren Plot auf der Metaebene, nur das Verständnis der Metaebene, lässt einen den Schluss tatsächlich als einen runden Schluss erleben. Und genau das macht Ninragon für mich so interessant: Nach dem Lesen murrt es weiter in einem, man spürt förmlich, dass sich da mehr dahinter versteckt. Die Welt in Ninragon hat nicht nur Tiefgang in ihrer entworfenen Welt, sondern darüber hinaus in einer weiteren Dimension. Das und die Sprachewirken nach und deswegen lese ich immer mal wieder einzelne Stellen erneut. Gerade die Metaebene beantwortet die offenen Fragen (naja, im Moment gibts noch einige offene...)
Horus hat geschrieben:Die Geschichte wird auch schon auf der Plot-Ebene abgerundet und in sich geschlossen.
Nein, eben nicht wirklich. Nur vordergründig. Das mag mein persönliches Empfinden als Leser sein. Du als Autor kannst es natürlich auch nicht selbst erleben und ich weiß nicht, wie es anderen Lesern ergeht, aber bei mir ist es definitiv nicht so gewesen, dass ich den vordergründigen Plot als runden Abschluss empfunden habe. Und auch die Reaktion von einem anderen Leser, die Du mal in Deinem Blog aufgegriffen hast, in der Art, 'alles schreit nach weiteren Auflösungen', spricht dafür, dass auch andere das wie ich erleben. Aus meiner Sicht ist das gut, denn erst dadurch mache ich mich auf die Suche und finde ich die weiteren Ebenen. Du hast zwar recht, dass der wesentliche Plot geschlossen ist, aber das Empfinden ist ein anderes.

Ist es notwendig, dass Leser auf der Metaebene rumpuzzeln? Nein, sicher nicht. Aber es ist deutlich mehr, als nur ein kleiner Bonus. Aus meiner Sicht ist es die Essenz von Ninragon, es gibt der Geschichte ihre Tiefe.
Horus hat geschrieben:Erikson-Geschichten funktionieren ähnlich, sogar noch viel extremer. Hier hat man erst recht den Eindruck immer nur einen kleinen Ausschnitt der ganzen Geschichte zu sehen, und mit jeder Antwort, die eine Geschichte gibt, werden 10 neue Fragen gestellt.
Bei Ninragon sind die Antworten da, nur eben nicht im Vordergrund. Das ist doch eben das Reizvolle.
Horus hat geschrieben:Nein, Ninragon ist nicht außergewöhnlich.
Tja, da sind wir dann wohl unterschiedlicher Meinung.
Horus hat geschrieben:Alles, was an Ninragon unaufgelöst bleibt, kann man von einer Fortführung dieser Erzählwelt erwarten.
Darauf bin ich gespannt.

BTW: Skurile 5-Sterne Rezension heute bei amazon für Hyperdrive...

Benutzeravatar
Horus W. Odenthal
Beiträge: 90
Registriert: So 16. Sep 2012, 08:42

Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von Horus W. Odenthal » So 2. Dez 2012, 20:49

minkey hat geschrieben: Ninragon ist höchstens dann 'normale' Fantasy, wenn Bakker oder meinetwegen auch Erikson und Abercrombie normale Fantasy sind. Das sehe ich aber nicht so, die stechen heraus. Wenn sie gleichzeitig kommerziellen Erfolg haben, umso besser.
'Normale' Fantasy ist derzeit AllAge.
Hi, Minkey. Bei deiner Argumentation kann ich nicht gewinnen. ;)
Normal ist also der momentan (unangenehm) auffallendste Trend. Das ist schon ein sehr schmales Spektrum, eine sehr enge Auffassung von Normalität. Normal sind für mich alle Spielarten der Fantasy. Solange sie Fantasy sein wollen.
Margret Atwood wäre für mich keine normale SF, denn die Ansichten der Autorin zu SF kann man bei bestem Willen nicht als normal bezeichnen. ;)

Wenn ich deiner Gedankenführung bezügl. Erikson und Abercrombie folge, dann wäre ein Buch, das Qualität hat, automatisch weder "normal" noch Mainstream. Das bedeutet, man muss schlecht schreiben, um per Definition zum Mainstream zu gehören oder zum „normalen“ Spektrum einer Literaturrichtung? Ne, so kann das nicht gehen. Das ist genau die Argumentation der Leute, die SF als Schund abstempeln, und wenn man gute Beispiele anführt, heißt es, die wären ja auch keine SF.

Thema Ninragon ohne Meta-Ebene nicht in sich abgeschlossen.
Okay, ich fasse zusammen: Ein Barbar bricht mit dem Erbe seines Vaters, weil er seine Kultur verachtet, und strebt an, ganz dem Erbe seiner gebildeten Mutter zu leben. Leider wird er durch seine Herkunft immer wieder auf das Erbe seines Vaters reduziert und auf einen Weg gezwungen, der ihn in Gefahr bringt, zum Ebenbild seines Vaters zu werden. Erst durch extreme Erlebnisse und Kämpfe, die ihn zunächst nach außen hin brechen, wird es ihm möglich, dieses Gefängnis seines Lebens zu sprengen, und für sich nach einer letzten Prüfung ein Leben zu erobern, dass nicht nur unter dem Zeichen des Erbes seiner Mutter steht, sondern auch eine Versöhnung mit dem Erbe seines Vaters mit sich bringt, so dass er beide Aspekte in einer eigenen neu gewonnenen Person und Lebensweise in sich vereint. – Das Ende –
Was soll denn da noch kommen?

Die Rahmenhandlung: Zwei Menschen einer unterschiedlichen Rasse, die sich kaum fremder sein könnten, werden durch Fügung des Schicksals zusammengebracht. Beide erkennen sie, dass sie in ihrem gesellschaftlichen Rahmen Außenseiter sind, und helfen einander ihre Situation zu verstehen, werden zu Freunden und indem sie eine Gefahr gemeinsam bewältigen, lernen beide zu ihrer eigentlichen Natur zu stehen. – Finis –

Soll ich sie danach auch noch ihr Coming-Out gemeinsam erleben, Kinder adoptieren lassen und sie beobachten gemeinsam, wie sie heranwachsen?

Beide Plot-Linien lassen sich sogar sauber unter der Heldenreise subsumieren (wobei es einige kleiner ineinander verstrickte Heldenreisen-Schleifen gibt).

Ich verstehe natürlich, was du meinst. Nicht alles, was in dieser Geschichte erwähnt wird, wird auch aufgelöst.
Aber das hat nichts mit den Hauptpersonen zu tun. Es hat mit dem Hintergrund, mit der Welt zu tun.
Eine berühmte Person dieser Welt, Eisenkrone, hat einen Cameo und verschwindet wieder aus der Geschichte.
Die ganze Geschichte spielt sich am Vorabend eines wichtigen Krieges dieser Welt ab und der Protagonist wird in die Ereignisse verstrickt.
Napoleon taucht auch in "Krieg und Frieden" auf, und niemand erwartet, dass der Autor seine Weg bis zum Ende auf St. Helena verfolgt.
Eine Geschichte, die am Vorabend des 2. Weltkriegs spielt, bei der der Protagonist in dessen Wirren verstrickt wird, muss auch nicht aufzeigen, wie schließlich das 3. Reich untergeht.
All diese kleinen Nebengeschichten hätte übrigens mein Lektor mit der Bemerkung gestrichen, dass sie zwar nett wären, aber nicht zur eigentlichen Geschichte gehörten. ;)
Von "Doktor Schiwago" erwartet man nicht, dass der Roman über Stalin erzählt, oder von der Perestroika.

Ich glaube, wir kommen da auf eine Besonderheit der Fantasy: Die Welt wir als eine Hauptperson angesehen.
Ja, auch bei mir ist die Welt eine Hauptperson. Aber nicht bezogen auf einen einzelnen Roman, nicht auf "Ninragon". Das Bild der Welt wird sich zwischen den Romanen offenbaren, es ist gewissermaßen eine die einzelnen Geschichten überbrückenden Ebene, die sich nach und nach zusammensetzt. In dieser Welt sind viele Geschichten zu erzählen, aus ihrem Mosaik ergibt sich ein Bild der Geschichte dieser Welt.
Ich will kein breites Geschichtsgemälde aufmachen, sondern, die Geschichten von einzelnen Menschen erzählen, die Eckpunkte der Geschichte aufzeigen oder einfach nur an bestimmten normalen Momenten des Weltgeschehens ansetzen und schlaglichtartig einen Blick darauf werfen.
Einiges beint in Ninragon ohne Auflösung, aber das ist Teil der Welt, nicht der Geschichte Aurics des Schwarzen der zu Nanragon wird.
Übrigens gibt es da noch das "Gedicht" als Epilog.
Deutlicher konnte ich als Autor doch nicht sagen "Leute, da kommt noch mehr. Noch viel mehr. Ihr habt gerade erst den Anfang der Geschichte erlebt, die Origin-Story", ohne mich als Erzähler in den Vordergrund zu stellen und das wirklich so auszusprechen.
Nein, ich behaupte, der "Ninragon" ist rund. Vielleicht hat, das anders zu empfinden, auch mit den Erwartungshaltungen zu tun, die man bezüglich der Fantasy hat. Wie so vieles andere. Denn, by the way, dass ich mit den Erwartungshaltung der Fantasy-Leser auch ansonsten spiele, dürfte schon bemerkt worden sein.
Dude, wie empfindest das du denn?
Ich weiß von den weiteren Leser-Reaktionen, dass viele Leute damit keine Schwierigkeit haben. Vielleicht eben genau die Leute, die mit Fantasy-Erwartungshaltung herangehen. Bei dem anderen Leser ist ja nicht von ungefähr der Vergleich mit "Song of Ice and Fire" gefallen.
So funktiuoniert aber Ninragon nicht. Aus gutem Grund. Ich persönlich bin gespannt, ob George RR Martin alle Fäden dieses gigantischen Personenarsenal wieder miteinander verknüpft und beendet bekommt.
In diesem Sinne
Howdy!
PS: Die Welt als eine Hauptfigur eines Fantasy-Romans scheint mir der Schlüssel zu all dem zu sein.

minkey
Beiträge: 287
Registriert: Do 25. Okt 2012, 21:51

Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » So 2. Dez 2012, 23:35

Horus W. Odenthal hat geschrieben: Hi, Minkey. Bei deiner Argumentation kann ich nicht gewinnen. ;) ...
Wenn ich deiner Gedankenführung bezügl. Erikson und Abercrombie folge, dann wäre ein Buch, das Qualität hat, automatisch weder "normal" noch Mainstream. Das bedeutet, man muss schlecht schreiben, um per Definition zum Mainstream zu gehören oder zum „normalen“ Spektrum einer Literaturrichtung? Ne, so kann das nicht gehen. Das ist genau die Argumentation der Leute, die SF als Schund abstempeln, und wenn man gute Beispiele anführt, heißt es, die wären ja auch keine SF.
Nee, den Schuh zieh ich mir nicht an. Wir diskutieren ja gerade nur darüber ob etwas im Fantasygenre Mainstream ist oder nicht. Natürlich sind Ninragon, Abercrombie, Bakker, Erikson allesamt Fantasy. Da legst Du mir gerade eine Argumentation in den Mund, die meinen nie verlassen hat. ;)
Aber gut, ich verstehe, worauf Du hinauswillst.

Ich greife mal ein paar Sachen aus Deinem letzten Post auf:
Horus hat geschrieben:Vielleicht hat, das anders zu empfinden, auch mit den Erwartungshaltungen zu tun, die man bezüglich der Fantasy hat. ... Denn, by the way, dass ich mit den Erwartungshaltung der Fantasy-Leser auch ansonsten spiele, dürfte schon bemerkt worden sein.
Sind es nicht genau diese Erwartungshaltungen, die den Mainstream der Fantasy auszeichnen? Und ist damit Fantasy nicht genau dann Mainstream, wenn sie diese Erwartungen befriedigt?
Ist damit dann nicht die Fantasy, die mit diesen Erwartungen so sehr spielt, wie es z.B. Ninragon tut, eben NICHT Mainstream?
Horus hat geschrieben:Nein, ich behaupte, der "Ninragon" ist rund.
Und Du wirst von mir nichts anderes hören, denn ich bin absolut Deiner Meinung: Ninragon ist rund.

Aber eben nicht in der vordergründigen Ebene die von Fantasy-Erwartungen geprägt ist. Denn das ist genau das, was Ninragon macht: Die vordergründigen Fantasy-Erwartungen werden tatsächlich zu einem sehr großen Teil sehr lange erfüllt. Ok, die Jünglinge werden in der ersten Schlacht geopfert, aber who cares: Auric, der Held, überlebt. Erst im 3. Band wird wirklich ernsthaft mit den Erwartungen gebrochen: Wie, die entscheidende Schlacht, die ich gefühlte 200 Seiten lese wird verloren? Wo bleibt die Rettung in letzter Not? Wann trifft Gandalf bzw. hier Kelam mit der Verstärkung ein? Aber gut, Auric führt einen Guerilla-Krieg, es wird schon irgendwie noch gutgehen, der Autor macht es nur spannend. Dann im 1. Endkampf: Endlich, das magische Artefakt, das alles in Ordnung bringen wird. Auric ist Superman, er macht jetzt alles platt. Wie, schon wieder nicht? Und alle gehen drauf? Das geht ja gar nicht. Ok, aber wenigstens Auric überlebt, es kann also noch alles irgendwie gut gehen. Er hat das magische Artefakt, wird von den Elfen geheilt, jetzt müssen sie sich nur noch arrangieren und die Welt retten. Und dann? Zweiter Endkampf in Himmelsriff (Was soll das denn jetzt, der Kampf findet doch da draussen statt) und dann wird der entschieden durch irgendwas kryptisch Metaphorisches (Wie sagte Jag noch? Ich weiss nix von Deinem Metadingsda, ich mach das auf die gute altmodische Art). Und was ist jetzt mit Idirien? Mit der Welt da draußen? Warum interessiert das Auric nicht, den Autor anscheinend auch nicht? Mich als Leser aber schon?

Und genau an der Stelle wird Auric erst rund, wenn der Leser entweder die Metaebene versteht oder die Fortsetzung lesen kann (wobei das zweite nur Theorie ist). Ninragon ist auf Ebene des Entwicklungsromans rund, Ninragon ist auf der Metaebene rund, aber auf der vordergründigen Fantasyebene, bei der es darum geht eine Welt vor dem Bösen zu retten, da ist noch nicht mal klar, was jetzt mit der Welt überhaupt ist. Das ganze endet im Elfenbeinturm. Die Welt könnte längst komplett untergegangen sein.
Horus hat geschrieben:Die Welt als eine Hauptfigur eines Fantasy-Romans scheint mir der Schlüssel zu all dem zu sein.
Und da sind wir uns dann wieder einig.

Und um nochmal zum Mainstream zurückzukommen: Im Mainstream würde natürlich die Welt am Ende gerettet sein. Viele Einzelschicksale könnten ungelöst bleiben. Eisenkrone ist z.B. überhaupt kein Problem. Aber was ist mit der Welt? Hier weiss man schlicht gar nichts. Nichts über General Kelam, die Kutte, den Orden, Ikun usw. Hier sind die großen Ungereimtheiten. Und: Auric ist am Ende von Ninragon erst zu seiner wahren Größe herangewachsen. Wäre er nicht am Ende von Ninragon dazu in der Lage eine entscheidende Rolle in dieser Welt zu spielen? Du wirst sagen, aber das hat er doch schon. Ja, das stimmt auf der Metaebene, das stimmt im Entwicklungsroman, aber eben nicht im vordergründigen Fantasyspektakel, denn darin geht es darum die Welt zu retten. So lehrt es uns der Fantasy-Mainstream...
Zuletzt geändert von minkey am Mo 3. Dez 2012, 20:57, insgesamt 3-mal geändert.

Benutzeravatar
Horus W. Odenthal
Beiträge: 90
Registriert: So 16. Sep 2012, 08:42

Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von Horus W. Odenthal » Mo 3. Dez 2012, 20:15

Aaaah. Ich glaube, jetzt sind bei mir ein paar Groschen gefallen.
Aber zunächst möchte ich mich einmal bei allen hier beteiligten für diese wunderbare, anregende Diskussion bedanken, vor allem aber bei Minkey, der sie angeleiert hat und der mit seinem Nachbohren noch die letzten Anklänge und Beiklänge herausholt – manchmal auch aus den Tiefen meiner Erinnerung und meines Unterbewusstseins. Großartig, dass man so anregend diskutieren kann.
Die ganze Diskussion spannt mich natürlich auch auf eine verdrehte Art auf die Folter. Ich platze fast, weil ich natürlich nichts verraten darf. Ich lache mir andererseits ins Fäustchen, weil ich weiß, was noch auf euch zukommt.
So, jetzt aber zu den geplatzten Knoten.
Ich glaube, wir führen hier gerade eine Version der Diskussion, die durch die ganze literarische Szene geistert: Ist Mainstream ein Schimpfwort?
Inzwischen dürfte klar geworden sein, dass ich das nur mit einem klaren Nein! beantworten kann.
Zum Zweiten: Als ich las, was du, Minkey, als typisch für Fantasy angeführt hast, wurde mit klar, dass wir etwas außer Acht, einen wichtigen Aspekt bisher u unberücksichtigt gelassen haben.
Das, was du als das anführst, was "Ninragon" von normaler Fantasy unterscheidet, ist schon fast eine Definition von Sword & Sorcery.
Und bei all dem, was wir zu Fantasy anführen, sprechen wir eigentlich nur von Epic Fantasy. Die ist aber gewissermaßen nru die eine Hälfte des Genres (wenn man mal alle weiteren Formen wie Urban Fantasy etc. ausklammert). Sword & Sorcery war schon immer der dreckige, realistischere der Gebrüder Fantasy. Darin ging es nie darum, die Welt zu retten. Jetzt verstehe ich, warum partout Abercrombie und Konsorten nicht zum Mainstream gehören sollen. Sie greifen nämlich die Sword 6 Sorcery auf. Und die war lange Jahre untergetaucht und hat erst in letzter Zeit eine Renaissance erlebt. Nämlich durch diese neuen Autoren. Darin ging es nie darum, die Welt zu retten. Der Held wollte lediglich seine eigene Haut retten und sich durchschlagen. "Gebt euren dunklen Herrscher beim Pförtner ab", mein Tweet zu "Ninragon" ist eine Übersetzung eines Mottos über dem Vorwort einer Anthologie zu neuer Sword & Sorcery Literatur.
Conan ist einer der typischen Sword & Sorcery-Helden. Merkwürdigerweise entstand dieser Held (und irgendwie auch diese Genre aus dem Western. (Und es kehrt erstens bei meinem "Idirer" und auch bei Abercrombies "Red Country" und ein, zwei anderen Geschichten – mal wieder Glen Cook – auch zu ihm zurück.) Die Vorbilder der Sword & Sorcery-Helden waren die die rauen Frontiersmen, die Ölarbeiter in Texas, die Cowboys und Scouts. "Am Schwarzen Fluss", eine Conan-Story von Robert E. Howard ist im Prinzip so etwas wie eine dreckigere, rauere Lederstrumpf-Variante.
Das führt und zu einem thematischen Kern von "Ninragon". In ihm kollidiert nämlich Sword & Sorcery mit Epic Fantasy. Auric ist ein Sword & Sorcery-Held, der ohne dass er es zunächst bemerkt in eine Epic Fantasy-Szenario verstrickt wird.
Die Kyprophraigen-Episode mit dem entführten Senphoren ist der Archetyp einer Conan-Novelle. Bevor die Geschichten sich in der Episode "Im Feuer" verändern. Genau besehen, ist aber auch diese Episode es in ihrem größeren Kontext schon nicht mehr. Solange sie im Sword &Sorcery-Kontext bleibt, bleibt ihr Kern unverständlich, bleibt sie eben nur episodisch. Erst als Auric über das Sword & Sorcery-Weltbild hinausblickt – das gelingt ihm, nachdem er befördert wird und die entsprechenden Informationen erhält –, er begreift, dass er ein S&S-Held in einer E.F.-Geschichte ist, fängt er an, zu die Verbindungen zu ziehen.
Am Schlusss, als er als Einzelner an diesem Epik Fantasy-Szenario gescheitert ist – so wie ein Einzelner realistisch betrachtet, an eine Epic Fantasy-Szenario nur scheitern kann –, reagiert er wieder wie ein Sword & Sorcery-Held.
Kein Einzelner kann die Welt retten. Also versucht er in dieser Welt seinen eigenen Weg zu finden.
Enttäuschend für die Fans von Epic Fantasy? Vielleicht. Das ist aber nun einmal die Natur dieses Romans.
Würde Conan den Kampf gegen Sauron aufnehmen? Nein, der würde erst einmal nachfragen, welchen Sold Barad-Dur denn so zahlt.
Übrigens hat Robert E. Howard nie Conans Jugend geschildert, außer in einem Fragment. Alles, was wir darüber wissen, wird später angedeutet. Übrigens in "Am Schwarzen Fluss". Die Schilderung von Aurics Jugend ist auch irgendwie ein Kommentar darauf.
So, wann will ich morgen mal dafür sorgen, dass ich nicht hier mein ganzes Pulver für einen interessanten Blogpost verschossen habe, und sehen, was ich hiervon zu einen kurzen Artikel destillieren kann.
Ich wünsche euch allen einen schönen Abend.

minkey
Beiträge: 287
Registriert: Do 25. Okt 2012, 21:51

Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » Mo 3. Dez 2012, 21:22

Horus W. Odenthal hat geschrieben:Ich glaube, wir führen hier gerade eine Version der Diskussion, die durch die ganze literarische Szene geistert: Ist Mainstream ein Schimpfwort?
Inzwischen dürfte klar geworden sein, dass ich das nur mit einem klaren Nein! beantworten kann.
Nur zur Klarstellung: Diese Frage würde ich mit einem mindestens genauso klaren Nein!! beantworten.
Für mich gibt es immer und in allen Spielarten gute und schlechte Qualität. Es kann genauso den umwerfenden Groschenroman, wie auch das grottenschlechte Literaturwerk geben, zum einen, weil beides innerhalb seiner Spielregeln gut oder schlecht gemacht sein kann, aber vor allem auch, weil letztendlich mein subjektiver Geschmack entscheidet, ob mir etwas gefällt oder nicht.
Mainstream als Schimpfwort? Großer Unfug. Mainstream ist lediglich eines von vielen Merkmalen zur Einordnung, ob einem etwas gefallen könnte oder nicht. Manchmal habe ich Lust auf Mainstream, manchmal eben nicht. Genau wie es Zeiten für Schnulzen, Melancholie, Banging, Party oder was auch immer gibt. Ist doch gut, dass es die Vielfalt gibt. Es ist nur tatsächlich blöd, wenn man mal was ganz anderes lesen möchte und sich dann in einem Mainstream-Buch wiederfindet. Oder andersherum. Dennoch hat Mainstream für mich viel mit Kommerz zu tun. Mainstream ist das, was die Verlage gerade für das halten, was sie gut verkaufen können. Es sind die Bücher die die Erwartungen der Leser erfüllen, von denen die Verlage denken, dass die größte Zahl der Leser sie haben werden. Und hierbei richten sie ihre Augen in die Vergangenheit und schauen, was zuletzt erfolgreich war. Das waren im Fantasybereich Harry Potter und Biss...
So gesehen, Horus, kannst Du schon Recht haben, dass es wegen des derzeitigen Erfolgs von Game of Thrones einen Umschwung Richtung erwachsener und dreckiger Fantasy geben könnte und dies tatsächlich zum nächsten Mainstream wird. Dennoch werden die entsprechenden Bücher dann auch diese Erwartungen erfüllen müssen. Bleibt abzuwarten, was die Verlage denken, das die Lesererwartungen sein werden. Womöglich unzählige Point of Views und schon ist Ninragon draussen.
Horus hat geschrieben:Zum Zweiten: Als ich las, was du, Minkey, als typisch für Fantasy angeführt hast, wurde mit klar, dass wir etwas außer Acht, einen wichtigen Aspekt bisher u unberücksichtigt gelassen haben.
Das, was du als das anführst, was "Ninragon" von normaler Fantasy unterscheidet, ist schon fast eine Definition von Sword & Sorcery....
Ein interessanter Aspekt, der noch mal einiges deutlicher macht. Ich habe tatsächlich nur wenig Ahnung von Sword & Sorcery, mir ist aber schon das ein oder andere aufgefallen.
Z.B. ist im Sword & Sorcery Teil das magische Artefakt eben wirkungslos. Ich vermute mal, dass magische Artefakte in S&S nur eine geringe Bedeutung spielen! (im Gegensatz zur Epic Fantasy)?

Aber nochmal ein wesentlicher Aspekt zum Ende von Ninragon: Die Ninrae, die als Elfen typisch sind für Epic Fantasy, sind im Endkampf wortwörtlich die Sword & Sorcery-Kämpfer. Auric hingegen ist im Endkampf der klassische Epic Fantasy Held, der eben doch quasi im Alleingang alles in Ordnung bringt. In diesem Sinne ist der Schluss ein klassischer Epic Fantasy Schluss. Mit dem Unterschied, dass er eben nicht die Welt rettet, sondern man das Schicksal der Welt schlicht nicht kennt. Und genau das ist der Bruch, der für die Leser von Epic Fantasy ein Problem ist. Nicht der erste Endkampf, denn da hat man noch ein paar Seiten und einen Parallelplot vor sich.
Zuletzt geändert von minkey am Mo 3. Dez 2012, 22:19, insgesamt 3-mal geändert.

Benutzeravatar
Horus W. Odenthal
Beiträge: 90
Registriert: So 16. Sep 2012, 08:42

Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von Horus W. Odenthal » Mo 3. Dez 2012, 22:14

minkey hat geschrieben:
Horus W. Odenthal hat geschrieben:Ich glaube, wir führen hier gerade eine Version der Diskussion, die durch die ganze literarische Szene geistert: Ist Mainstream ein Schimpfwort?
Inzwischen dürfte klar geworden sein, dass ich das nur mit einem klaren Nein! beantworten kann.
Nur zur Klarstellung: Diese Frage würde ich mit einem mindestens genauso klaren Nein!! beantworten.
Für mich gibt es immer und in allen Spielarten gute und schlechte Qualität. Es kann genauso den umwerfenden Groschenroman, wie auch das grottenschlechte Literaturwerk geben, zum einen, weil beides innerhalb seiner Spielregeln gut oder schlecht gemacht sein kann, aber vor allem auch, weil letztendlich mein subjektiver Geschmack entscheidet, ob mir etwas gefällt oder nicht.
Mainstream als Schimpfwort? Großer Unfug. Mainstream ist lediglich eines von vielen Merkmalen zur Einordnung, ob einem etwas gefallen könnte oder nicht. Manchmal habe ich Lust auf Mainstream, manchmal eben nicht. Genau wie es Zeiten für Schnulzen, Melancholie, Banging, Party oder was auch immer gibt. Ist doch gut, dass es die Vielfalt gibt. Es ist nur tatsächlich blöd, wenn man mal was ganz anderes lesen möchte und sich dann in einem Mainstream-Buch wiederfindet. Oder andersherum. Dennoch hat Mainstream für mich viel mit Kommerz zu tun. Mainstream ist das, was die Verlage gerade für das halten, was sie gut verkaufen können. Es sind die Bücher die die Erwartungen der Leser erfüllen, von denen die Verlage denken, dass die größte Zahl der Leser sie haben werden. Und hierbei richten sie ihre Augen in die Vergangenheit und schauen, was zuletzt erfolgreich war. Das waren im Fantasybereich Harry Potter und Biss...
"Bis(s) zum Abwinken"

Da sind wir uns dann sehr einig.
Besser könnte ich es nicht sagen. Das ist dann mal wieder ein weiteres tolles Statement in einer lebendigen Diskussion.
Naja, und das mit der Erwartungshaltung … Blöd sich in einem Mainstream-Buch … und andersrum …
Scream until you like it!!!
Ging mit auch schon oft so …

minkey
Beiträge: 287
Registriert: Do 25. Okt 2012, 21:51

Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » Mo 3. Dez 2012, 22:31

Noch eine Ergänzung zu meinem letzten Post: Der dem Sword & Sorcery entstammende Auric beendet den Endkampf der epischen Ninrae nicht nur auf epic fantasy Manier, sondern die Ninrae den Endkampf von Auric mit den ihnen komplett unbekanntem wortwörtlichem Sword & Sorcery. Aber alles andere wäre ja bei Ninragon schon fast überraschend.

Das Erstaunlichste an dieser ganze Konstruktion ist tatsächlich, das sie trotz dieser starren Konstruktion, so wenig konstruiert wirkt und als vordergründige Geschichte trotz allem gut funktioniert.

theDude
Beiträge: 28
Registriert: Sa 27. Okt 2012, 22:51

Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von theDude » So 9. Dez 2012, 22:26

so, nach Tagen der Abwesenheit meld ich mich nun auch wieder zurück.

Was die Rundheit von Ninragon angeht, wurde das wichtige glaub ich schon gesagt. Auch für mich ist Ninragon nur dank der Metaebene rund, obwohl mich die offenen Fragen eher weniger stören. Aber vlt. hat das auch damit zu tun, ob man eher ein Fan von offenen oder abgeschlossenen Enden ist. Ein Kollege von mir hat sich z.B. tierisch über das Ende der Serie Chuck aufgeregt, während mir dies eigentlich recht gut gefallen hat. (dort ist die Welt gerettet, das Schicksal der Hauptpersonen aber unklar) Nicht jeder Gedanke muss einem vorgedacht werden, es ist allerdings viel angenehmer, wenn die wichtigen Fragen beantwortet werden. Wenn man aber erreichen möchte, dass der Leser über das Buch nachdenkt, ist solch ein Ende sicher eine glückliche Wahl.

Eure Mainstream/Fantasy/S&S Diskussion fand ich sehr spannend. Sie zeigt v.a., wie Horus die Bücherwelt kategorisiert. Dies ist entscheidend für die Interpretation, denn selbst wenn nicht alles aus der Metaebene absichtlich entstand, so schreibt doch immer das Unterbewusstsein mit. Und das Unterbewusstsein beschäftigt sich nun mal mit den Dingen, worüber der Autor selber nachdenkt.

Diese neuen Informationen liessen mich nochmals die "Rollenverteilung" in unsrer Metaebene überdenken:

Als Auric zum ersten Mal auf die Ninrae trifft, wird er argwöhnisch betrachtet, Nur eine kleine Gruppe (eigentlich nur Darachel) ist von Anfang freundlich und aufgeschlossen. Danach erzählt Auric ihm seine Lebensgeschichte und sie bilden den Ring der Neun, eine kleine, fast schon ausgegrenzte Gruppe von Ninrae, die sich mit Dingen beschäftigen, die eigentlich aus Aurics Welt stammen. Dabei sind sie immer panisch darauf bedacht, nicht als Aussenseiter zu zählen. Erst gegen Ende, nachdem die Ninrae direkt mit dem Drachen konfrontiert wurden, gilt Auric als Freund der Ninrae und akzeptierter Bestandteil von Himmelsriff.

Dies passt für mich nicht zusammen mit unserer früheren Assoziation der Ninrae mit klassischer Literatur. Klassische Literatur ist ein abgeschlossener Prozess. Es kommen keine Autoren mehr dazu, es gibt keine Veränderungen mehr im Genre, es ist ein starres Gebilde.
Vlt. wärs schlüssiger, die Ninrae mit dem gleichzusetzen, was der mainstream (damit meine ich v.a. Verlage und Kritiker) als Literatur bezeichnet. Also die Autoren, welche sich als Fortsetzung der klassischen Literatur sehen:

-Die Gesellschaft der gehobeneren, "reineren", gebildeteren Autoren, die sich vehemmemt von der reinen Unterhaltungsliteratur abgrenzen, zeigen ähnliche Züge wie die Ninrae. Sie sind eher weltabgewandt, bleiben gerne unter sich und schauen nur mit Verachtung und einer gewissen Arroganz auf die Welt um sich herum.
-Die ganze Vergeistigung passt wunderbar. Die reine Unterhaltung, gleichzusetzen mit der Physis, wird verlacht und zu Gunsten der Webmuster etc. vernachlässigt. Dinge, die ein normaler Mensch gar nicht oder nur sehr schwer begreifen und wahrnehmen kann.
-Wie bei den Ninrae zeigen leicht alternativ denkende Autoren eine panische Angst davor, aus ihrem erlauchten Kreis ausgeschlossen zu werden. Wurde einmal ein Autor als Unterhaltunsschreiber kritisiert, ists für ihn so gut wie unmöglich, wieder in die Ränge der anderen Literatur-Autoren aufzusteigen. Ihm bleibt nur die Flucht in die restliche (Bücher-) Welt. Dementsprechend sind auch die Verbindungen innerhalb des Kollektivs viel wichtiger als für andere Autoren, da sie sich nur über ihr Kollektiv definieren.
-Die Unsterblichkeit der Ninrae entspricht einem gewissen Anspruch der Autoren an sich selbst, etwas zu schreiben, was die Zeit überdauert.


Die Kinphauren werden mit der Epic Fantasy gleichgesetzt, die Barbarenstämme mit Sword&Sorcery.
Dies passt wunderbar zu Horus' früherer Bemerkung von wegen Kinphauren und Valgaren seien beide Kinder von etwas viel älterem, nämlich der Fantasy als "Dachgenre".
Ebenso passt die Superlative der Kinphauren, die ich früher schon mal erwähnt habe, zu epic Fantasy, die sich mit grossen und abgespacten Dingen beschäftigt. Auf der anderen Seite die Valgaren, die eigentlich nur um ihr Überleben kämpfen.
Die Kinphauren sind zwar als Gesamtheit bedrohlich, können aber ihr Potential nicht nutzen, weil sie immer wieder in Streitigkeiten untereinander geraten. Jeder Clan kocht sein eigenes Süppchen, genauso wie jeder Fantasy Autor seine eigene Welt erschafft. Manchmal können Elfen zaubern, manchmal nicht. Manchmal mögen sich Elfen und Menschen, manchmal sind sie Totfeinde..
Erst wenige grosse Führer vermochten die Kinphauren in eine einheitliche Richtung zu lenken (beispielsweise Tolkien), Dies war aber immer von kurzer Dauer, es bildeten sich bald wieder Unterschiede.

Da nun die Ninrae die Rolle der aktuellen Literatur übernehmen, würde ich Idirien neu mit der salonfähigeren, (erwachseneren?) restlichen Unterhaltungsliteratur gleichsetzen (z.B. Krimis oder Liebesromane, die sich klar nicht an junge Leser wenden). Idirien ist ein buntes Gemisch aus vielen verschiedenen Provinzen und Völkern. Es gibt zwar so etwas wie ein einheitliches Gesetz und eine einheitliche Regierung, viele Provinzen kümmert dies aber relativ wenig. Insgesamt also ein recht heterogenes Gemisch, allerdings mit einigen Gemeinsamkeiten. Die wichtigste davon dürfte die Kultiviertheit sein, wodurch sich Idirien krass von den Valgaren unterscheidet.
Die 16te ist ein Teil dieses Gebildes, allerdings mit Sonderstatus. Die Reformer wollen sie in den regulären Komplex eingliedern. Im Verlauf dieses Prozesses muss sie sich gegen Valgarenstämme durchsetzen. Ein Teil ausserhalb von Idirium wird also aufgenommen, allerdings erst, nachdem er sich erst gegen die Kinphauren und später gegen die Valgaren durchgesetzt hat. Ein Teil ausserhalb der erwachsenen Unterhaltungsliteratur wird also in diesen Komplex aufgenommen, wenn er sich klar von dem unkultivierten S&S sowie der AllAge Epic Fantasy abgesetzt hat.
Ikun stünde hier beispielsweise für Tolkien (jop, schon wieder der^^), der erst als Anführer einer Fantasyströmung galt, allerdings salonfähig wurde und in den Kreis der Unterhaltungsliteratur aufgenommen, die auch ein Erwachsener offiziell lesen darf.

Die alten Festen der Kinphauren, die man überall findet, passen zur Idee, dass früher eigentlich alles Fantasy war (siehe Blogpost, Nibelungenlied etc.)

Der Kampf um die Welt steht stellvertretend für einen Kampf um Leserschaft. Die Epic Fantasy ist wieder mal auf dem Vormarsch (Tolkien-Revival nach Harry Potter, z.B.) und bedient sich (erst seit neuem!) der S&S, wenns gerade praktisch ist (z.B. einige Teile von Ice & Fire, soweit man dies vor Ende der Geschichte beurteilen kann).

Um auf den Anfang dieses Posts zurückzukommen:
Ninragon ist ein Brückenschlager zwischen all den Genres. Er hat klaren S&S Charakter, den er aber mit einer gewissen Ethik verbindet, die er von seiner idirischen Mutter mitbekommen hat (salonfähige Unterhaltungsliteratur). Durch die Wirren der Welt kommt er zu den Ninrae, welche ihn erst argwöhnisch beäugen und nur haarscharf überhaupt in ihre erlauchte Feste reinlassen. Doch die folgenden Ereignisse öffnen den Ninrae die Augen. Es findet nicht nur ein Umdenken in ihrer Gesellschaft statt, Auric wird auch offiziell als Ninragon, Freund der Ninrae, betitelt.

Demnach findet man hier auf der Metaebene die Message von Horus Blogpost bezüglich Fantasy und Literatur.

minkey
Beiträge: 287
Registriert: Do 25. Okt 2012, 21:51

Re: Leserunde zu "Ninragon" von Horus W. Odenthal

Beitrag von minkey » Mo 10. Dez 2012, 22:07

theDude hat geschrieben:so, nach Tagen der Abwesenheit meld ich mich nun auch wieder zurück.
Welcome back :)
theDude hat geschrieben:Vlt. wärs schlüssiger, die Ninrae mit dem gleichzusetzen, was der mainstream (damit meine ich v.a. Verlage und Kritiker) als Literatur bezeichnet. Also die Autoren, welche sich als Fortsetzung der klassischen Literatur sehen:

-Die Gesellschaft der gehobeneren, "reineren", gebildeteren Autoren, die sich vehemmemt von der reinen Unterhaltungsliteratur abgrenzen, zeigen ähnliche Züge wie die Ninrae. Sie sind eher weltabgewandt, bleiben gerne unter sich und schauen nur mit Verachtung und einer gewissen Arroganz auf die Welt um sich herum.
-Die ganze Vergeistigung passt wunderbar. Die reine Unterhaltung, gleichzusetzen mit der Physis, wird verlacht und zu Gunsten der Webmuster etc. vernachlässigt. Dinge, die ein normaler Mensch gar nicht oder nur sehr schwer begreifen und wahrnehmen kann.
-Wie bei den Ninrae zeigen leicht alternativ denkende Autoren eine panische Angst davor, aus ihrem erlauchten Kreis ausgeschlossen zu werden. Wurde einmal ein Autor als Unterhaltunsschreiber kritisiert, ists für ihn so gut wie unmöglich, wieder in die Ränge der anderen Literatur-Autoren aufzusteigen. Ihm bleibt nur die Flucht in die restliche (Bücher-) Welt. Dementsprechend sind auch die Verbindungen innerhalb des Kollektivs viel wichtiger als für andere Autoren, da sie sich nur über ihr Kollektiv definieren.
-Die Unsterblichkeit der Ninrae entspricht einem gewissen Anspruch der Autoren an sich selbst, etwas zu schreiben, was die Zeit überdauert.
Ja, das passt alles sehr schön. Wobei die Ninrae nicht unsterblich sind, altern sie nicht?

Ich schmeiss da noch mal den Elfenbeinturm mit rein, nichts anderes ist Himmelsriff doch und die Aszension, das Streben zu einem rein geistigen Wesen zu werden. Die Silae, die nichts anderes sind als vergeistigte Wesen. Und den Enthravanen, der auf mich noch immer wie ein Literaturpapst wirkt und richtig und falsch definieren will. Die Ninrae als Autoren gesehen, sind Autoren, die die Außenwirkung ihrer Texte nicht mehr interessiert. Die der Leser letztendlich nicht mehr interessiert. Wozu ein Leser? Es geht nur noch um den Text an sich. Wenn es keinen Leser gibt, dann ist Unterhaltung unnötig, es geht um höhere Ziele.
theDude hat geschrieben:Die Kinphauren werden mit der Epic Fantasy gleichgesetzt, die Barbarenstämme mit Sword&Sorcery.
Dies passt wunderbar zu Horus' früherer Bemerkung von wegen Kinphauren und Valgaren seien beide Kinder von etwas viel älterem, nämlich der Fantasy als "Dachgenre".
Die alten Sagen als Dachgenre? Es gibt weitere: Mythenlegenden wie Eisenkrone und Vanwhe, steht jedes Volk für ein eigenes Genre?
theDude hat geschrieben: Ebenso passt die Superlative der Kinphauren, die ich früher schon mal erwähnt habe, zu epic Fantasy, die sich mit grossen und abgespacten Dingen beschäftigt. Auf der anderen Seite die Valgaren, die eigentlich nur um ihr Überleben kämpfen.
Die Kinphauren sind zwar als Gesamtheit bedrohlich, können aber ihr Potential nicht nutzen, weil sie immer wieder in Streitigkeiten untereinander geraten. Jeder Clan kocht sein eigenes Süppchen, genauso wie jeder Fantasy Autor seine eigene Welt erschafft. Manchmal können Elfen zaubern, manchmal nicht. Manchmal mögen sich Elfen und Menschen, manchmal sind sie Totfeinde..
Erst wenige grosse Führer vermochten die Kinphauren in eine einheitliche Richtung zu lenken (beispielsweise Tolkien), Dies war aber immer von kurzer Dauer, es bildeten sich bald wieder Unterschiede.
Bis eines Tages der Auserwählte kommen wird, um sie alle zu vereinen. ;)

Und Moment mal. Virri ist der 'verwirrte' Autor der Sword & Sorcery, der immer nur das alte Zeug wiederholt und seine eigene Identität darüber vergisst.
Das gibt es natürlich auf Seiten der Epic Fantasy: Da ist es Kudai, der zur Epic Fantasy quasi überläuft und von ihr mit Klingen in den Armen versehen wird und ebenfalls dabei immer mehr seine Identität verliert, bis von ihm lediglich eine Kugel in einem Homunkulus bleibt und ein Hund, der nach ihm benannt wurde.
theDude hat geschrieben:Da nun die Ninrae die Rolle der aktuellen Literatur übernehmen, würde ich Idirien neu mit der salonfähigeren, (erwachseneren?) restlichen Unterhaltungsliteratur gleichsetzen (z.B. Krimis oder Liebesromane, die sich klar nicht an junge Leser wenden). Idirien ist ein buntes Gemisch aus vielen verschiedenen Provinzen und Völkern. Es gibt zwar so etwas wie ein einheitliches Gesetz und eine einheitliche Regierung, viele Provinzen kümmert dies aber relativ wenig. Insgesamt also ein recht heterogenes Gemisch, allerdings mit einigen Gemeinsamkeiten. Die wichtigste davon dürfte die Kultiviertheit sein, wodurch sich Idirien krass von den Valgaren unterscheidet.
Was mich an dem Bild stört, ist das Idirien für Kultiviertheit, Bildung steht und es Aurics ganzes Streben ist, Idirien zu verteidigen. Idirien als Unterhaltungsliteratur finde ich kein passendes Bild, aber ich kann Idirien bisher auch nicht im Gesamtkonzept wirklich schlüssig unterbringen.
theDude hat geschrieben:Die 16te ist ein Teil dieses Gebildes, allerdings mit Sonderstatus. Die Reformer wollen sie in den regulären Komplex eingliedern. Im Verlauf dieses Prozesses muss sie sich gegen Valgarenstämme durchsetzen. Ein Teil ausserhalb von Idirium wird also aufgenommen, allerdings erst, nachdem er sich erst gegen die Kinphauren und später gegen die Valgaren durchgesetzt hat. Ein Teil ausserhalb der erwachsenen Unterhaltungsliteratur wird also in diesen Komplex aufgenommen, wenn er sich klar von dem unkultivierten S&S sowie der AllAge Epic Fantasy abgesetzt hat.
Entsprechend dem obigen, habe ich auch hier meine Probleme.
theDude hat geschrieben:Ikun stünde hier beispielsweise für Tolkien (jop, schon wieder der^^), der erst als Anführer einer Fantasyströmung galt, allerdings salonfähig wurde und in den Kreis der Unterhaltungsliteratur aufgenommen, die auch ein Erwachsener offiziell lesen darf.
Nee, nee, das glaube ich nicht. Tolkien IST Epic Fantasy. Wenn Ikun Tolkien symbolisieren sollte, dann gäbe es auch eine Entsprechung für Howard. Wer sollte das sein? Kausstag? Ich glaube nicht, dass Horus so ein schlechtes Bild von Howard hat.

Aber Ikun bringe ich bisher auch nicht unter. Und was ist mit Inaim, das ist auch eine Frage, die ich mir immer wieder stelle. Wir haben hier immer mit "Gegensätzen" zu tun: Epic Fantasy (High Fantasy) / Sword & Sorcery (Low Fantasy); Unterhaltung / Literatur; Aurics Vater / Aurics Mutter usw. Aber: Eine monotheistische Religion um Inaim. Und es ist Kudai, der am Häufigsten über ihn redet, schon geradezu fanatisch und es ist Kudai, der Auric verrät, um zu den Kinphauren überzulaufen. Wenn Tolkien symbolisiert wird, dann würde ich (wegen der Anbetung durch Kudai, während ich zwischen Valgaren und Inaim keinen Zusammenhang sehe) ihn in Inaim symbolisiert sehen. Nur was ist dann mit Howard?
theDude hat geschrieben:Die alten Festen der Kinphauren, die man überall findet, passen zur Idee, dass früher eigentlich alles Fantasy war (siehe Blogpost, Nibelungenlied etc.)
Da hingegen gehe ich wieder konform.
theDude hat geschrieben:Der Kampf um die Welt steht stellvertretend für einen Kampf um Leserschaft. Die Epic Fantasy ist wieder mal auf dem Vormarsch (Tolkien-Revival nach Harry Potter, z.B.) und bedient sich (erst seit neuem!) der S&S, wenns gerade praktisch ist (z.B. einige Teile von Ice & Fire, soweit man dies vor Ende der Geschichte beurteilen kann).
Was wiederum wunderbar zu den Ninrae und ihrem Rückzug aus der Welt passt. Was kümmert sie die Leser.
Wozu es nicht passt, ist, dass Auric zum Schluss ebenfalls in Himmelsriff 'festsitzt'. (Oder vielleicht doch? Na, ich gönn Horus jedenfalls durchaus ein paar mehr Leser ;) )
theDude hat geschrieben:Auric wird auch offiziell als Ninragon, Freund der Ninrae, betitelt.
Es lohnt sich, wie an so vielen Stellen in Ninragon, da genau hinzuschauen:
Ninragon Band 3 etwa Pos. 5067 hat geschrieben: "Ich überlege, was ich für Dich bin. Bin ich der fremdartige Barbar, das seltsame starke, grobe Tier für eine heiße Nacht?"
Sie hielt seinen Blick, die ganze Zeit, und ein Hauch der Bekümmerung trat in ihrer Augen, verflog aber sofort wieder.
"Du bist nicht grob", sagte sie gerade, die Hand auf sein Gesicht legend, auf Lippen und Kinn, die Spitze ihres einen Fingers berührte dabei sein Nasenende leicht wie der Hauch einer Feder.
"Du bist Auric Ninragon."
"Was bin ich?", fragte er, mit dem Atem in den Fächer ihrer Hand hinein.
"Auric Ninragon. So nennen sie dich. Hast Du das noch nicht bemerkt?"
"Ninragon", sprach er das Wort nach. Sie zog ihre Fingerspitzen zurück, ließ sie auf die Laken sinken. "Freund der Ninrae." Er zog die Stirn kraus.
"Sei froh, dass sie dich nicht Ninrafaicht nennen." Sekainen grinste leise.
"Will ich wirklich wissen, was das heißt?"
Sekainen wurde rot. Das heißt der porzellangleiche Teint ihrer Wangen färbte sich eine Spur ins Rosige....
Zum einen: Auric zieht die Stirn kraus, als er Ninragon genannt wird.
Zum anderen: Auric ist nicht nur ein Ninragon. Er ist eben auch ein Ninrafaicht... (OMG He fucks Ninrae? :) )

Dude: Sehen wir Dich auch im Hyperdrive-Thread?

Antworten